Braucht unsere Kirche einen Plan, wie Seelsorge zu gestalten ist?
Über Jahrzehnte hindurch gaben die Eltern den Kindern ihren Glauben weiter. Unterstützt von Schule und Pfarre fanden sie zu den praktizierten Traditionen einer Pfarre Zugang, gestützt von verschiedenen Vereinen, Kinder- und Jugendgruppen. Diese Form der religiösen Inkulturation hat sich verflüchtigt und wir sehen uns an einem Wendepunkt der gelebten Glaubenspraxis.
Auf diese Veränderungen will die Kirche reagieren. Im Zukunftsbild, welches sich die steirische Kirche verordnet hat, fragt sie „was Gott heute von uns will“. Ihre Option ist es, sich zu einer lernenden Kirche zu entwickeln, die ihr Handeln regelmäßig prüft und zu Veränderungen bereit ist. Was Gott heute von uns will, ist nicht so einfach festzuschreiben. Grundlage dafür ist das Evangelium. Im Lesen der Heiligen Schrift, im Gebet und in der Meditation kann die Stimme Gottes vernommen werden. Die in Gedanken und im Herzen gesammelten Gotteserfahrungen treffen dann auf die soziale und lebensweltliche Realität.
Neben der persönlichen und gemeinschaftlichen Gottesbegegnung muss unser Blick den Menschen gelten, die in unserem Seelsorgeraum leben - auch unabhängig von Religionszugehörigkeiten. Was sind ihre Lebenswirklichkeiten (Arbeitsleben, Freizeitverhalten, Alter, Milieus…) Welche Pfarren, Kirchorte und Erfahrungsräume von Kirche, Einrichtungen und Vereine im kirchlichen wie im öffentlichen Leben gibt es in unserem Seelsorgeraum? Wie wird Kirche von den verschiedensten Menschen genutzt und wahrgenommen?
Von der Kirche wird heute erwartet, dass sie sich den Lebenswelten der Menschen stellt. Sie darf nicht ihre Glaubensangebote über die Menschen stülpen, sondern hat sich stets zu fragen, wie sie – selbst beschenkt mit dem Evangelium – den Menschen dienend und keinesfalls belehrend und vorschreibend begegnet.
Braucht nun unser pastorales Tun einen Plan, an dem es sich auszurichten hat? Ich meine „Ja“. Auf Basis des Evangeliums und unseres Zukunftsbildes entwickeln wir verbindliche und messbare Ziele für unseren Seelsorgeraum. Wir werden Altbewährtes weiterführen, aber auch gemeinsame Visionen entwickeln und Raum für Neues schaffen. „Pastoralplan“ nennt sich das Ergebnis dieses Seelsorgeraum-Entwicklungsprozesses. Er wird regelmäßig auf seine Wirksamkeit hin überprüft und für sechs Jahre vom Bischof genehmigt. Damit soll die Qualität in der Seelsorge im Seelsorgeraum garantiert werden.
Ohne Ehrenamt geht (fast) nix
Ein Schwerpunkt wird in diesem Entwicklungsprozess dem Ehrenamt gewidmet. Die Kirche weiß sich hier in einer konstruktiven Konkurrenz zu anderen Freiwilligen-Organisationen. Weshalb sollen sich Menschen ehrenamtlich in der Kirche engagieren? Auch wenn das 2. Vatikanum die Getauften und Gefirmten in ihrer Bedeutung für die Sendung der Kirche sehr ernst nimmt, wird es vor Ort von den Rahmenbedingungen abhängen. Lässt sich die ehrenamtliche Tätigkeit gut mit dem eigenen Berufs- und Privatleben verbinden? Gibt es Gestaltungsmöglichkeiten und einen selbst verantworteten Aufgabenbereich? Schon heute wird die Kirche vor Ort wesentlich von freiwillig engagierten Christinnen und Christen getragen. Künftig wird es von ihrer Sendungsbereitschaft und der Verwirklichung ihrer Charismen aus Taufe und Firmung abhängen, ob Kirche vor Ort lebendig bleibt.
Karl Zissler,
Regionalkoordinator Steiermark Mitte