Menschen begleiten im Rhythmus des Lebens.
Menschen begleiten im Rhythmus des Lebens.
Beate Reiß ist Dipl. Sozialarbeiterin, systemische Lebensberaterin und Erwachsenenbildnerin. Um dem Wunsch „Menschen in allen Eventualitäten des Lebens begleiten zu können“ gerecht zu werden, absolvierte sie Ausbildungen von Geburtsvorbereiterin bis zur Hospizbegleiterin.
„Egal was ich mache, ich bin Menschenbegleiterin in unterschiedlichen Prozessen und begleite Menschen in ihren Höhen und Tiefen, so wie sie das Leben in seiner Lebendigkeit hervorbringt.“ antwortet mir die barfuß geerdete, aufrecht zwischen Himmel und Erde ausgerichtete Frau auf meine Frage: Was machen Sie beruflich? Das passiert zum einen in Selbstständigkeit in ihrer Jurte als freie Ritualleiterin und in eigener Praxis als Lebensberaterin und Supervisorin, aber auch als Kräuterweib und Kursleiterin für Wyda, Kräuterpädagogik, die Kunst des Räucherns, heilsames Singen usw.
Seit 2006 ist sie aber auch pädagogische Mitarbeiterin im Hospizverein Steiermark und leitet die Plattform „Wenn Lebensanfang und Lebensende zusammenfallen“.
Was war das letzte Ritual das du gefeiert hast?
Mein kleines Morgenritual: Gut geerdet den neuen Tag mit einem Dankeschön begrüßen, dabei meine Verbundenheit spüren mit allem was ist und in alle Himmelsrichtungen Frieden wünschen. Als größeres Ritual habe ich im August ein Jahreskreisfest gefeiert mit den Schwerpunkten: Fülle, Dankbarkeit, Kraft der Kräuter.
„Rituale“ haben sehr tiefe Wurzeln in unserer Menschheitsgeschichte und doch erscheinen sie aktuell wie eine Modeerscheinung. Wie siehst du das?
Ich glaube Rituale sind überhaupt keine Modeerscheinung. Sie waren schon immer überall auf der Welt an den Wendepunkten unseres Lebens wesentlich, da haben die Menschen schon seit jeher Feste zelebriert. Auch im bäuerlichen Jahreslauf wurden und werden viele Anlässe aufgegriffen und mit Ritualen als bedeutsame Ereignisse gefeiert. Das ist nix Neumodisches.
Es gibt ein tiefes Bedürfnis etwas zu zelebrieren, zu würdigen zu bedanken oder eine Bestärkung für den nächsten Schritt zu kriegen. Das ist einfach ein Grundbedürfnis. Oft haben wir Rituale in einem bestimmten Kontext von Kind auf kennengelernt und fühlen und nun nicht mehr davon angesprochen. Aber nur weil ich das Ritual in diesem Kontext nicht mehr feiere, verschwindet nicht auch das Bedürfnis danach. Viele Menschen machen sich auf die Suche nach Ritualen in anderen Kulturen und finden darüber wieder zu den eigenen Wurzeln zurück.
Du verwendest den Begriff „Freie Rituale“, wovon grenzt du dich ab?
„Frei“ heißt nicht, dass ich mich abgrenze, sondern dass ich an keinen bestimmten religiösen oder spirituellen Zugang gebunden bin. „Frei“ heißt, dass ich genau hinschaue, wer sitzt mir gegenüber? Wie ist dessen Sprache? Wie redet die Menschenvom Leben? Welche Symbolik klingt durch? Was nährt die Person? „Frei“ in dem Sinn, dass es keine Vorgabe gibt, so hat es zu sein, sondern was bedeutet dieses Lebenserlebnis dem Menschen, der mir den Auftrag dazu gibt und dann entwickeln wir gemeinsam maßgeschneidert ein Ritual.
Ist es richtig, dass viele unserer Alltagshandlungen unbewusst unter die Kategorie Ritual fallen?
Wenn es eine Routinehandlung oder einfach eine tägliche Gewohnheit ist, ist es kein Ritual, allerdings kann vieles mit der entsprechenden Haltung ein Ritual werden. Ein simples Beispiel dafür: „Kerze anzünden“. Ich kann eine Kerze anzünden, weil der Strom ausgefallen ist. Ich kann aber auch eine Kerze anzünden, weil mir die Symbolik des Licht etwas bedeutet und ich z.B. die Kerze ganz bewusst in Gedanken für jemand entzünde der die Qualität des Lichtes braucht. Dann wird es zur rituellen Handlung.
Welche Bedeutung haben Rituale für dein persönliches Leben?
Jetzt haben sie eine sehr wichtige Rolle. Vor allem die Rituale im Jahreskreis, biete ich nicht nur an, sondern lebe ich auch selbst, weil sie viel ordnen, verstehbar machen und bekräftigen. Wie das Jahr schwingt ist heilsam, rhythmisch, wellenförmig, zyklisch, …
Das war vor allem in der Pandemiezeit im kleinen Kreis spürbar und heilsam. Außen herum war das Leben scheinbar so gleichförmig, aber in den Jahreskreisfesten wurde das Leben lebendig und verstehbar gemacht.
Ich begehe bewusst persönliche Lebenswenden, zelebriere wenn ich Meilensteine geschafft habe oder wenn ich hoffnungsvoll in die Zukunft gehen möchte.
Ich bin im kirchlichen Kontext aufgewachsen, habe sogar ein Theologiestudium begonnen. Rituale haben mich schon mein Leben lang begleitet. Ich machte mich allerdings auf die Suche nach mehr Lebendigkeit und nach etwas, das mehr meiner Lebensrealität entspricht. Durch meine beruflichen Schwerpunkte Geburt und Sterben habe ich intensiver begonnen meinen Blick zu schärfen, welche Möglichkeiten es mit der Ritualarbeit an diesen großen Lebenswenden zur Unterstützung gibt.
Welchen Beitrag leisten Rituale, welche Kraft steckt dahinter?
Es ist zum einen ein Innehalten im Alltag, ich steige ein stückweit aus, lege den Fokus auf ein bestimmtes Thema und gebe dem Platz, was mich trägt, nährt und was mir wertvoll ist im Leben egal ob es eine göttliche Erfahrung, eine Naturverbundenheit oder sonst etwas ist. Es ist das Würdigen des Lebens, so wie es einfach ist. Ich schaue hin, nehme an und sage im besten Fall danke. Vielfach werden Rituale in Gemeinschaft gefeiert, auch darin liegt die besondere Kraft. Das Miteinander trägt und der nächsten Schritt wird unter Zeug:innen ausgesprochen und bekräftigt.
Du bist von Beruf „Ritualleiterin“ – was kann man sich darunter vorstellen?
Es ist ein Teilbereich meines Tätigkeitsfeldes. Als Ritualleiterin wenden sich Menschen mit unterschiedlichen Anliegen an mich. Wenn jemand verstorben ist, ein Paar ja zueinander sagen möchte, jemand willkommen geheißen wird, in einer Firma die Leitung übergeben wird, ein Umzug, eine Pensionierung bevorsteht, die erste Menstruation da ist, .... Ich bin offen für das, womit die Leute auf mich zukommen.
Die Leute rufen mich an, wir führen ein Kennenlerngespräch, wenn wir gut miteinander können, folgt ein Erstgespräch von ca 2 Stunden. Ich stelle ganz viele Fragen damit ich erfahre, wie reden die Menschen vom Leben, was stellen sie sich vor, in welchem Kreis wird gefeiert, … Ich möchte auch ein Gespür für die Feiergemeinschaft bekommen, um alle hereinzuholen. Das Ritual soll für alle bedeutsam sein, auch wenn die religiösen Ausgangssituationen der Mitfeiernden unterschiedlich sind. Ich höre genau hin und merke … ah da docken sie an, das ist ihre Lebenswelt, ihre Sprache. Meist ist das Erstgespräch sehr berührend und intensiv.
Das Erstgespräch ist bereits Teil des Rituals, weil wir im Gespräch bereits vieles reflektieren und in der Thematik und im Anliegen für das Ritual tief drinnen sind. Da wird der/dem Auftraggeber:in oder dem Paar schon vieles bewusst. Ins Ritual bringe ich nur ein, was den Menschen recht ist. Ich erstelle einen Grobplan und dann wächst es aufgrund der Rückmeldungen weiter … Das nimmt meist an die 10-12 Stunden Arbeitszeit in Anspruch.
Praktizierte Religion kommt ohne Rituale nicht aus. Wo siehst du verborgene Schätze der Kath. Kirche … und wie könnten diese entfaltet werden?
Ich bin überzeugt, dass es einen Schatz gibt. < überlegt >
Es gibt zum einen den Schatz, dass das Bewusstsein da ist, dass es an den unterschiedlichen Wenden im Leben von Menschen, aber auch im Jahreslauf Anlässe gibt, die es wert sind bewusster hinzuschauen und das, was ist zu zelebrieren und zu würdigen. Vielleicht wäre die Chance noch viel genauer hinzuhorchen um näher an der Lebensrealität des Menschen, der mir gerade gegenüber ist, zu sein und sich Zeit nehmen um zu hören, wie sprechen die Leute vom Leben? Wo kann die Botschaft anknüpfen? Die über Jahre vorgegebenen und tradierten Abläufe können Sicherheit geben. Es wäre schön, wenn auch Spielräume genützt werden könnten, um die Menschen mit ihrer aktuellen Lebensrealität, ihrer Sprache, einzubinden.
Gerade der Sonntag fordert auf zum Heraustreten aus dem Alltag – Kraft schöpfen.
Der Begriff „Rituale“ wird im kirchlichen Kontext nicht nur positiv wahrgenommen. Wie erklärst du dir das und welche Antwort hast du parat, wenn jemand Ritualarbeit negiert?
Ich kann mir vorstellen, dass Sorge aber auch Verunsicherung dahintersteckt. Ich weiß nicht ob skeptische Personen bereits „andere“ Rituale erlebt haben. Es kann sein, dass ich in einen Widerstand gehe, weil ich nicht darüber Bescheid weiß.
Im Ritual sage ich den Menschen, ihr seid ALLE herzlich willkommen, mit eurer jeweiligen relig. Zugehörigkeit und Unterschiedlichkeit. Es geht um Herzensbegegnungen und darum, dass ALLE Mitfeiernden eine Anknüpfung finden.
Wenn Menschen erleben dürfen, was hinter einem freien Ritual steckt und wo der gemeinsame Nenner der Menschen ist, dann ist schon vieles getan.
Welches Alltagsritual legen Sie unseren Leser:innen ans Herz?
Etwas sehr Bedeutsames ist die Haltung der Dankbarkeit und die Frage, wie schaffe ich der Dankbarkeit in meinem Leben einen Platz. Ich bin mir sicher, dass man dann ganz anders mit sich selbst, mit dem Leben und mit den Dingen verbunden ist. „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind“ (Francis Bacon)
Ritual: Jeden Abend bewusst eine Kerze entzünden, ins Licht schauen und benennen wofür bin ich heute dankbar.
Liebe Beate, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Menschen begleiten im Rhythmus des Lebens.
Im Gespräch mit Beate Reiß
Beate Reiß ist Dipl. Sozialarbeiterin, systemische Lebensberaterin und Erwachsenenbildnerin. Um dem Wunsch „Menschen in allen Eventualitäten des Lebens begleiten zu können“ gerecht zu werden, absolvierte sie Ausbildungen von Geburtsvorbereiterin bis zur Hospizbegleiterin.
„Egal was ich mache, ich bin Menschenbegleiterin in unterschiedlichen Prozessen und begleite Menschen in ihren Höhen und Tiefen, so wie sie das Leben in seiner Lebendigkeit hervorbringt.“ antwortet mir die barfuß geerdete, aufrecht zwischen Himmel und Erde ausgerichtete Frau auf meine Frage: Was machen Sie beruflich? Das passiert zum einen in Selbstständigkeit in ihrer Jurte als freie Ritualleiterin und in eigener Praxis als Lebensberaterin und Supervisorin, aber auch als Kräuterweib und Kursleiterin für Wyda, Kräuterpädagogik, die Kunst des Räucherns, heilsames Singen usw.
Seit 2006 ist sie aber auch pädagogische Mitarbeiterin im Hospizverein Steiermark und leitet die Plattform „Wenn Lebensanfang und Lebensende zusammenfallen“.
Was war das letzte Ritual das du gefeiert hast?
Mein kleines Morgenritual: Gut geerdet den neuen Tag mit einem Dankeschön begrüßen, dabei meine Verbundenheit spüren mit allem was ist und in alle Himmelsrichtungen Frieden wünschen. Als größeres Ritual habe ich im August ein Jahreskreisfest gefeiert mit den Schwerpunkten: Fülle, Dankbarkeit, Kraft der Kräuter.
„Rituale“ haben sehr tiefe Wurzeln in unserer Menschheitsgeschichte und doch erscheinen sie aktuell wie eine Modeerscheinung. Wie siehst du das?
Ich glaube Rituale sind überhaupt keine Modeerscheinung. Sie waren schon immer überall auf der Welt an den Wendepunkten unseres Lebens wesentlich, da haben die Menschen schon seit jeher Feste zelebriert. Auch im bäuerlichen Jahreslauf wurden und werden viele Anlässe aufgegriffen und mit Ritualen als bedeutsame Ereignisse gefeiert. Das ist nix Neumodisches.
Es gibt ein tiefes Bedürfnis etwas zu zelebrieren, zu würdigen zu bedanken oder eine Bestärkung für den nächsten Schritt zu kriegen. Das ist einfach ein Grundbedürfnis. Oft haben wir Rituale in einem bestimmten Kontext von Kind auf kennengelernt und fühlen und nun nicht mehr davon angesprochen. Aber nur weil ich das Ritual in diesem Kontext nicht mehr feiere, verschwindet nicht auch das Bedürfnis danach. Viele Menschen machen sich auf die Suche nach Ritualen in anderen Kulturen und finden darüber wieder zu den eigenen Wurzeln zurück.
Du verwendest den Begriff „Freie Rituale“, wovon grenzt du dich ab?
„Frei“ heißt nicht, dass ich mich abgrenze, sondern dass ich an keinen bestimmten religiösen oder spirituellen Zugang gebunden bin. „Frei“ heißt, dass ich genau hinschaue, wer sitzt mir gegenüber? Wie ist dessen Sprache? Wie redet die Menschenvom Leben? Welche Symbolik klingt durch? Was nährt die Person? „Frei“ in dem Sinn, dass es keine Vorgabe gibt, so hat es zu sein, sondern was bedeutet dieses Lebenserlebnis dem Menschen, der mir den Auftrag dazu gibt und dann entwickeln wir gemeinsam maßgeschneidert ein Ritual.
Ist es richtig, dass viele unserer Alltagshandlungen unbewusst unter die Kategorie Ritual fallen?
Wenn es eine Routinehandlung oder einfach eine tägliche Gewohnheit ist, ist es kein Ritual, allerdings kann vieles mit der entsprechenden Haltung ein Ritual werden. Ein simples Beispiel dafür: „Kerze anzünden“. Ich kann eine Kerze anzünden, weil der Strom ausgefallen ist. Ich kann aber auch eine Kerze anzünden, weil mir die Symbolik des Licht etwas bedeutet und ich z.B. die Kerze ganz bewusst in Gedanken für jemand entzünde der die Qualität des Lichtes braucht. Dann wird es zur rituellen Handlung.
Welche Bedeutung haben Rituale für dein persönliches Leben?
Jetzt haben sie eine sehr wichtige Rolle. Vor allem die Rituale im Jahreskreis, biete ich nicht nur an, sondern lebe ich auch selbst, weil sie viel ordnen, verstehbar machen und bekräftigen. Wie das Jahr schwingt ist heilsam, rhythmisch, wellenförmig, zyklisch, …
Das war vor allem in der Pandemiezeit im kleinen Kreis spürbar und heilsam. Außen herum war das Leben scheinbar so gleichförmig, aber in den Jahreskreisfesten wurde das Leben lebendig und verstehbar gemacht.
Ich begehe bewusst persönliche Lebenswenden, zelebriere wenn ich Meilensteine geschafft habe oder wenn ich hoffnungsvoll in die Zukunft gehen möchte.
Ich bin im kirchlichen Kontext aufgewachsen, habe sogar ein Theologiestudium begonnen. Rituale haben mich schon mein Leben lang begleitet. Ich machte mich allerdings auf die Suche nach mehr Lebendigkeit und nach etwas, das mehr meiner Lebensrealität entspricht. Durch meine beruflichen Schwerpunkte Geburt und Sterben habe ich intensiver begonnen meinen Blick zu schärfen, welche Möglichkeiten es mit der Ritualarbeit an diesen großen Lebenswenden zur Unterstützung gibt.
Welchen Beitrag leisten Rituale, welche Kraft steckt dahinter?
Es ist zum einen ein Innehalten im Alltag, ich steige ein stückweit aus, lege den Fokus auf ein bestimmtes Thema und gebe dem Platz, was mich trägt, nährt und was mir wertvoll ist im Leben egal ob es eine göttliche Erfahrung, eine Naturverbundenheit oder sonst etwas ist. Es ist das Würdigen des Lebens, so wie es einfach ist. Ich schaue hin, nehme an und sage im besten Fall danke. Vielfach werden Rituale in Gemeinschaft gefeiert, auch darin liegt die besondere Kraft. Das Miteinander trägt und der nächsten Schritt wird unter Zeug:innen ausgesprochen und bekräftigt.
Sie sind von Beruf „Ritualleiterin“ – was kann man sich darunter vorstellen?
Es ist ein Teilbereich meines Tätigkeitsfeldes. Als Ritualleiterin wenden sich Menschen mit unterschiedlichen Anliegen an mich. Wenn jemand verstorben ist, ein Paar ja zueinander sagen möchte, jemand willkommen geheißen wird, in einer Firma die Leitung übergeben wird, ein Umzug, eine Pensionierung bevorsteht, die erste Menstruation da ist, .... Ich bin offen für das, womit die Leute auf mich zukommen.
Die Leute rufen mich an, wir führen ein Kennenlerngespräch, wenn wir gut miteinander können, folgt ein Erstgespräch von ca 2 Stunden. Ich stelle ganz viele Fragen damit ich erfahre, wie reden die Menschen vom Leben, was stellen sie sich vor, in welchem Kreis wird gefeiert, … Ich möchte auch ein Gespür für die Feiergemeinschaft bekommen, um alle hereinzuholen. Das Ritual soll für alle bedeutsam sein, auch wenn die religiösen Ausgangssituationen der Mitfeiernden unterschiedlich sind. Ich höre genau hin und merke … ah da docken sie an, das ist ihre Lebenswelt, ihre Sprache. Meist ist das Erstgespräch sehr berührend und intensiv.
Das Erstgespräch ist bereits Teil des Rituals, weil wir im Gespräch bereits vieles reflektieren und in der Thematik und im Anliegen für das Ritual tief drinnen sind. Da wird der/dem Auftraggeber:in oder dem Paar schon vieles bewusst. Ins Ritual bringe ich nur ein, was den Menschen recht ist. Ich erstelle einen Grobplan und dann wächst es aufgrund der Rückmeldungen weiter … Das nimmt meist an die 10-12 Stunden Arbeitszeit in Anspruch.
Praktizierte Religion kommt ohne Rituale nicht aus. Wo siehst du verborgene Schätze der Kath. Kirche … und wie könnten diese entfaltet werden?
Ich bin überzeugt, dass es einen Schatz gibt. < überlegt >
Es gibt zum einen den Schatz, dass das Bewusstsein da ist, dass es an den unterschiedlichen Wenden im Leben von Menschen, aber auch im Jahreslauf Anlässe gibt, die es wert sind bewusster hinzuschauen und das, was ist zu zelebrieren und zu würdigen. Vielleicht wäre die Chance noch viel genauer hinzuhorchen um näher an der Lebensrealität des Menschen, der mir gerade gegenüber ist, zu sein und sich Zeit nehmen um zu hören, wie sprechen die Leute vom Leben? Wo kann die Botschaft anknüpfen? Die über Jahre vorgegebenen und tradierten Abläufe können Sicherheit geben. Es wäre schön, wenn auch Spielräume genützt werden könnten, um die Menschen mit ihrer aktuellen Lebensrealität, ihrer Sprache, einzubinden.
Gerade der Sonntag fordert auf zum Heraustreten aus dem Alltag – Kraft schöpfen.
Der Begriff „Rituale“ wird im kirchlichen Kontext nicht nur positiv wahrgenommen. Wie erklärst du dir das und welche Antwort hast du parat, wenn jemand Ritualarbeit negiert?
Ich kann mir vorstellen, dass Sorge aber auch Verunsicherung dahintersteckt. Ich weiß nicht ob skeptische Personen bereits „andere“ Rituale erlebt haben. Es kann sein, dass ich in einen Widerstand gehe, weil ich nicht darüber Bescheid weiß.
Im Ritual sage ich den Menschen, ihr seid ALLE herzlich willkommen, mit eurer jeweiligen relig. Zugehörigkeit und Unterschiedlichkeit. Es geht um Herzensbegegnungen und darum, dass ALLE Mitfeiernden eine Anknüpfung finden.
Wenn Menschen erleben dürfen, was hinter einem freien Ritual steckt und wo der gemeinsame Nenner der Menschen ist, dann ist schon vieles getan.
Welches Alltagsritual legen Sie unseren Leser:innen ans Herz?
Etwas sehr Bedeutsames ist die Haltung der Dankbarkeit und die Frage, wie schaffe ich der Dankbarkeit in meinem Leben einen Platz. Ich bin mir sicher, dass man dann ganz anders mit sich selbst, mit dem Leben und mit den Dingen verbunden ist. „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind“ (Francis Bacon)
Ritual: Jeden Abend bewusst eine Kerze entzünden, ins Licht schauen und benennen wofür bin ich heute dankbar.
Liebe Beate, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Für das Redaktionssteam, Elisabeth Aumüller