Der Opfergang
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Bei einem Opfergang bringen die Gläubigen während der hl. Messe ihr persönliches Geldopfer in einer Prozession zum Altar. In vielen Kirchen gehen sie dabei um den Hochaltar herum und legen ihre Gabe in ein dafür bereitgestelltes Körbchen.
Opfergänge haben eine lange Tradition. Schon in der Urkirche war jede Eucharistiefeier mit einem gemeinsamen Mahl verbunden, und seit dem 2. oder 3. Jahrhundert ist bezeugt, dass die Gläubigen zur Eucharistiefeier Gaben mitbrachten: Lebensmittel, Kerzen, Wertgegenstände usw., und seit dem 11. Jahrhundert zunehmend Geld. Dieses Opfer, eine aus Liebe dargebrachte Gabe, war gedacht als Unterstützung für die Armen und als Hilfe für den Unterhalt der Priester. Opfergänge waren bis in die Neuzeit an mehreren Festtagen üblich, wie z. B. bei einer Hochzeit oder Firmung, und besonders bei Begräbnissen. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil ist er in die Gabenbereitung eingeflossen, zusammen mit Brot und Wein während einer Gabenprozession.
Ein Opfergang ist, theologisch gesehen, eine konkrete Form unter vielen „einer tätigen Teilnahme“ (participatio actuosa) der Gläubigen am Mahl des Herrn. Diesen Brauch gibt es auch in der evangelischen Kirche, wo er Altarumgang heißt.
Etwas Konkretes zu geben beim Gottesdienst wurde früh als Ehrenrecht verstanden, als Teilnahme am allgemeinen Priestertum aller Getauften. Über lange Zeit wurden die Spender im Gottesdienst auch namentlich genannt. Bis heute wird im 4. Hochgebet gebetet, „für alle die ihre Gaben spenden.“ Möglicherweise ist der Ausdruck, „Opfergang“ für heutige Menschen schwer verständlich. Aber die Überzeugung, dass das Teilen zum Wesen des christlichen Glaubens gehört, darf nicht verloren gehen. Die lateinamerikanischen Basisgemeinden sagen: „niemand ist so reich, dass er nichts zu empfangen hätte, und niemand ist so arm, dass er nichts zu geben hätte.“ Die innere Haltung und Bereitschaft zum Teilen kommen im Gehen und Umschreiten des Altares sehr stark zum Ausdruck.
Viele Opfergänge sind im Laufe der Zeit aus der Liturgie wieder verschwunden. Am längsten gehalten hat sich, in einigen Gebieten bis in unsere Zeit hinein, der Opfergang bei kirchlichen Totengottesdiensten. Bei einem kirchlichen Begräbnis soll der Brauch des Opfergangs, dort wo er üblich ist, beibehalten werden, entweder gleich am Beginn des Gottesdienstes oder während der Gabenbereitung. So sagt es die kirchliche Begräbnisordnung. Bei den Totengottesdiensten kommen neben der Haltung des Teilens besonders die Ehrerbietung für den Verstorbenen und die Begleitung und das Mitgehen des letzten Weges auf Erden zum Ausdruck.
Schön, dass wir diese alte Tradition in St. Radegund bei den Begräbnisfeierlichkeiten und an den hohen Festtagen des Kirchenjahres weiterhin pflegen.
Pfarrer Mario Offenbacher